Micha Brumlik hat vor einigen Monaten in der taz versucht, die Giordano-Bruno-Stiftung wegen ihrer Position zur Beschneidung in eine antisemitische Tradition einzuordnen, indem er den Namensgeber Giordano Bruno durch antisemitische Stellen in dessen Werk zu kompromittieren versucht. http://www.taz.de/!102730/
Daraufhin antwortete MichaelSchmidt-Salomon mit einer Richtigstellung,
was Brumlik mit einem weiteren unsachlichen Pamphlet
konterte, was Schmidt-Salomon wiederum so erwiderte: http://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/ton-wird-rauer
Erfreulich ist, dass es bei den Lesern
der taz genügend Kommentatoren gibt, die sich solche Einschüchterungspropaganda
nicht gefallen lassen, die sofort merken, dass es sich bei dem
Antisemitismusvorwurf im Zusammenhang mit der Beschneidungsfrage um ein
Totschlagargument handelt und dass das Herausgreifen Giordano Brunos mit dem
Ziel die nach ihm benannte Stiftung zu
diffamieren, höchst selektiv ist, da sich sofort der Vergleich mit Luther
aufdrängt, der tatsächlich zur Vertreibung und Ermordung von Juden aufgerufen
hat, was eine große Glaubensgemeinschaft
nicht davon abhält sich weiterhin nach ihm zu benennen.
Brumliks Behauptung, Bruno sei auch ein
Feind des Protestantismus gewesen und dies sei auch für den späteren
Antisemitismus typisch, ist völlig willkürlich und absurd und zeigt, dass
Brumliks Diffamierungen nur von
lobbyistischen Interessen geleitet sind, aber keine Aufklärung über
echte Zusammenhänge darstellen. Giordano Bruno äußerte sich wohl ablehnend über
die seinerzeit aufkommenden protestantischen Lehren, aber nur weil er in ihnen
keine bessere Alternative zur von ihm primär bekämpften katholischen Kirche sah.
Von daher ist diese Verknüpfung schon sehr an den Haaren herbeigezogen. Für den
späteren Antisemitismus entbehrt dies jeglichen Sinns, weil es voraussetzen
würde, dass es keinen Antisemitismus im protestantischen Zusammenhang gegeben
hätte. Natürlich lassen sich bei katholischen Antisemiten auch üble
Feindseligkeiten gegen Protestanten finden. Ebenso könnte man bei protestantischen
Antisemiten aber auch Katholikenfeindlichkeit ausmachen und diese in einen
Zusammenhang zu deren Antisemitismus stellen.
Denn bei all dem geht es eigentlich um
die Frage der Beschneidung. Diejenigen, die sie befürworten, wollen auf diese
Weise davon ablenken, dass sie keine sachlichen Argumente haben.
Alles in allem geht es bei Brumlik also
genau wie bei Broder darum, die Verwendung des Begriffs Antisemitismus weg von
der eigentlichen Bedeutung, nämlich Feindschaft gegenüber Juden, weil sie Teil
des jüdischen Kollektivs sind oder als solche gesehen werden, hin zu einer
Definition, unter die jede inhaltliche Kritik an der jüdischen Religion oder
der Politik des jüdischen Staates fällt, zu verschieben. Deswegen geht dann
auch einer der wenigen Kommentarschreiber, die Brumlik unterstützen, so weit zu
sagen, die Giordano-Bruno-Stiftung sei schon deshalb antisemitisch, weil sie
sich gegen jede Religion, also auch gegen das Judentum richtet. Micha Brumlik
leistet mit dem Antisemitismusvorwurf eigentlich das, was Henryk Broder eher
auf politischem Gebiet leistet, auf religiösem Gebiet: nämlich als moderner
Inquisitor durch geschickte Suggestionen mit Halbwahrheiten und konstruierten
Zusammenhängen jedes unvoreingenommene kritische Hinterfragen von Traditionen und
Praktiken im jüdischen Zusammenhang in den Ruf eines Gedankenverbrechens (im
Sinne von „1984“) zu bringen. Aus bekannten Gründen ist der Antisemitismusvorwurf
dafür besonders effektiv. Andere Religionen verfügen in der modernen Welt nicht
mehr oder noch nicht wieder über ein entsprechendes Instrumentarium zur
Einschüchterung ihrer Gegner oder überhaupt Andersdenkender, aber es ist
unverkennbar, dass Apologeten des Islam und christlicher Kirchen daran arbeiten.
Ebenso ist es unverkennbar, wie unbedarftere Zeitgenossen gedankenlos ein
Schlagwort wie Islamophobie gebrauchen und damit unter dem Vorwand, sich gegen
die Diskriminierung türkisch- oder arabischstämmiger Menschen einzusetzen,
jegliche Kritik an islamischen Glaubensinhalten und Traditionen kriminalisieren.
Auch kommt es vor, dass Christen sich des Antisemitismusvorwurfs bedienen,
soweit es darum geht, Kritik an den Elementen christlicher Tradition
abzuwehren, die auf das Judentum, auf das Alte Testament, zurückgehen. Die
Tabuisierung von Religionskritik, die zur Zeit bezogen auf Judentum und Islam
versucht wird, wie es in der Beschneidungsdebatte besonders scharf zum Ausdruck
kam, ist gewissen Kirchenchristen nur willkommen, da so der Weg bereitet werden
könnte, auch Kritik an kirchlichen Traditionen zu kriminalisieren. Es kann nicht oft genug darauf aufmerksam
gemacht werden, was für ein schäbiger manipulativer Trick es ist, die
Unterdrückung von Menschen aufgrund ihrer Abstammung mit der sachlichen Kritik
an Ideologien und Religionen gleichzusetzen. Dass ahnungslose und/oder
ängstliche Zeitgenossen dem auf dem Leim gehen, liegt, daran, dass der
Antisemitismusvorwurf so ungeheuerlich wirkt, dass alleine die Erhebung des
Verdachts schon einschüchternd wirkt, dies umso mehr, weil diejenigen, die ihn
erheben, mit so vagen Definitionen operieren, dass der Beschuldigte kaum eine
Möglichkeit zur Widerlegung bekommt, indem sie jeden Versuch der Entkräftung
zur Ausrede erklären können. Man hört dann, dass ein Verbot der
Säuglingsbeschneidung auf das Gleiche hinausliefe wie der Holocaust, weil es in
beiden Fällen am Ende keine Juden mehr gebe. So wird Massenmord an echten individuellen
Menschen mal eben gleichgesetzt mit der Abschaffung einer Tradition oder der
Auflösung eines Volkszusammenhanges. So zeigt sich, dass Leute die so denken,
desselben Geistes Kind sind, wie alle wirren ethnozentrischen
Verschwörungstheoretiker, die in der „Überfremdung“ und Rassenmischung den
Beginn eines Genozids an den Deutschen oder überhaupt der weißen Rasse sehen.
Der Trick dabei ist, dass kein Unterschied zwischen den Menschen als Individuen
und dem Kollektiv, das sich über religiöse und nationale Traditionen definiert,
gemacht und das Individuum ganz als Teil dieses Kollektivs gedacht wird. So
kann jede ablehnende Haltung gegenüber jüdischen Traditionen als Wunsch nach
Vernichtung aller jüdischen Menschen diffamiert werden. - So liegt eine gewisse
Pointe nun auch gerade darin, dass es ja genau darum eigentlich in der
umstrittenen Stelle in Brunos allegorischem Dialog geht: Eine fiktive Person nimmt
die Juden in Sippenhaft dafür, dass sie die Sippenhaft erfunden haben. Anstatt
diesen paradoxen Gedanken dem Autor zuzuschreiben, sollte man gerade hier anknüpfen,
um die Unterscheidung zwischen der Kritik an einer Ideologie und dem Hass auf
ein Volk herauszuarbeiten. - Wenn hier die Unterscheidungsfähigkeit einmal
abhandengekommen ist, dann ist Meinungsfreiheit nur noch nicht mehr als eine
Worthülse und es nur noch eine Frage der
Zeit bis wieder offiziell Inquisitionstribunale richten. Mit der Verhöhnung der
einstigen Opfer der Inquisition, die unter Einsatz ihres Lebens die totale
Herrschaft des Klerus herausforderten,
wird durch Micha Brumlik versucht eine solche Entwicklung mit in Gang zu
setzen. Denn wenn ausgerechnet ein Opfer religiös fanatisierter Herrschaft zum
Täter, zum Protagonisten eines solchen Fanatismus erklärt werden soll, dann
kann das wie eine implizite Rechtfertigung der Inquisition wirken. Dass er mit dem Wunsch anderer Vertreter von etablierten Religionen nach der Kriminalisierung von Religionskritik konform geht, ist einfach naheliegend, wenn er sich für seine Antisemitismusvorwürfe gerade einen verurteilten Ketzer und eine Bewegung in der Gegenwart, die sich für Religionskritik und gegen Religionsprivilegien einsetzt, aussucht und nicht Personen wie Mohammed und Luther, die für wirklichen Judenhass - und eben nicht nur Kritik an jüdischen Traditionen - bekannt sind. Eigentlich
ist es das gleiche Schema, das einst der katholisch reaktionäre Politiologe
Eric Voegelin aufgebracht hat, der die gnostischen Ketzerbewegungen der Spätantike
und des Mittelalters für den Zerfall der traditionellen Ordnungsstrukturen und
damit zusammenhängend für den Totalitarismus verantwortlich machte, so als wenn jene
Ketzerbewegungen nicht selbst Opfer einer totalitär anmaßenden
Herrschaftskultur waren, der Totalitarismus nicht vielmehr sein Vorbild in der
kirchlichen Inquisitionsherrschaft hatte. Aus dem gleichen Grund wehrte die
katholische Inquisition einst das kopernikanische Weltbild und Giordano Brunos
Schlussfolgerungen daraus ab, weil dadurch die Ordnung einzustürzen drohte, als
deren Wächter die Kirche sich sah, weil durch das geweitete Verständnis des
Weltalls die enggefassten dogmatischen Lehren und Traditionen ihre Ausstrahlung
verlieren. Ähnlich machen sich heute die jüdischen Polemiker wie Broder und
Brumlik strukturgleich mit ihren Äquivalenten aus anderen ethnischen und
religiösen Gruppen Sorgen um ihre kulturelle Identität, die durch irrationale
absurde Traditionen wie die Beschneidung zusammengehalten wird und wehren daher
die Tendenz zur Auflösung kultureller Identitäten in der säkularen und
individualistischen Welt der Moderne ab.
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