Nachdem Politiker und Journalisten mit wenigen Ausnahmen den Konflikt um die Ukraine angeheizt und eine Dämonisierung Putins betrieben haben, gibt es jetzt einen Aufruf zur Mäßigung von vielenüberwiegend ehemaligen Politikern.
Unter den sachlichen Stimmen der „Putinversteher“
(als wenn verstehen zu wollen gleichbedeutend sei mit gutheißen und propagieren) ist der frühere
Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin in diesem Beitrag im Stern wie auch der Schriftsteller Wolfgang Bittner in diesem Telepolis-Interview hervorzuheben.
Frappierend ist, wie bestimmte Politiker
der Grünen darauf reagieren wie hier Katrin Göring-Eckardt.
Verwiesen sei auf das Agieren und Reagieren auf Einwände aus dem eigenen Lager
und der Linken von Marieluise Beck, Rebecca Harms und besonders dieser gruselige
Redebeitrag eines Johannes Steen auf dem jüngsten Parteitag, der viel Beifall
fand: http://friedensblick.de/14208/gruener-johannes-steen-verurteilt-nicht-rechtsextremen-polizeichef-kiew/
Zunächst so viel: Es ist bedenklich,
dass so geredet wird, da das Völkerrecht nach dem Ende des Kalten Krieges zuerst
von der NATO-Seite gebrochen wurde beim Kosovo- Krieg und der Abspaltung des
Kosovo. Zu bedenken sind auch die Äußerungen Gorbatschows beim 25jährigen
Gedenken des Mauerfalls, der sich auch enttäuscht zeigt von der Ausdehnung der
NATO entgegen der damaligen Versprechungen.
Zu dem, was bei Katrin Göring-Eckardt
durchscheint, die Verständigung mit Russland von der Ausbreitung des eigenen
Verständnisses von Demokratie und Fortschritt zu machen:
Außenpolitik
kann keine Weltinnenpolitik sein, solange es keine Einigung der Menschheit von
unten statt durch die Dominanz einer Weltmacht gibt.
Das Gleichgewicht des Schreckens
wie im Kalten Krieg, heute besser das Nebeneinander-Existieren mehrerer
Machtblöcke verhindert die totale Machtausübung einer globalen herrschenden
Klasse.
Nur so ist es überhaupt möglich, dass ein Edward Snowden Aufnahme in
Russland finden konnte. In den Staaten der NATO war dies eben nicht möglich.
Wenn also die ganze Welt verwestlicht werden sollte, was offenbar die neue
Utopie führender Grüner ist, was aber konkret die Anbindung an die USA heißt,
dann wäre es auch kaum noch möglich, die Machtanmaßungen eines Machtsystems
anzuprangern. Den Forstschritt zu mehr Freiheit und Demokratie kann es in der
Welt, in der wir heute leben, also nur durch die Konkurrenz mehrerer
Machtblöcke geben und nicht indem man versucht den Einfluss des eigenen
westlichen Lagers, weil man es als einzige Form von Demokratie ansieht, auf die
ganze Welt auszudehnen anstatt die oberste Priorität darauf zu legen, die Missstände
im eigenen Lager anzugehen. Außerdem muss immer bedacht werden, dass die Macht
Putins bei allen Missständen demokratisch legitimiert ist, ebenso wie die
politischen Konstellationen im Westen. Die Rede davon in Russland und der
Ukraine Demokratie verbreiten zu wollen, ebenso wie die Diffamierung der „Putinversteher“
als Demokratiefeinde ist also illegitim.
Siehe z.B. hier: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24220
Das, was der Oligarch Chodorkowski hier vorhat,
durch eine Revolution an die Macht zu kommen, um dann als Übergangspräsident
Strukturen für eine „echte“ Demokratie zu schaffen, mag wohl aus der einseitig
prowestlichen Sicht eine Befreiung für die Russen sein, jedoch wird man
hinnehmen müssen, dass die Mehrheit der Russen ihre bisherigen Wahlen als frei
ansieht und die Installation von Strukturen im Sinne des westlichen Modells als
falsche Demokratie, zumal es dann ja unter ausländischem Einfluss zustande
gekommen sein würde.
Es gibt anscheinend insbesondere bei den Grünen eine Tendenz zu meinen
es sei eine bürgerrechtliche emanzipatorische Politik, in anderen Ländern
Regimewechsel herbeizuführen, um das „westliche“ Modell von Demokratie und
Zivilgesellschaft zu verbreiten und sich dabei die Ideologie der Neocons in den
USA zu eigen zu machen und mit extremen ukrainischen Nationalisten zu
kooperieren, gleichzeitig aber den Gegnern dieser Politik vorzuwerfen, sie
würden sich mit Rechtspopulisten und Antisemiten gemein machen. Die Außenpolitik ist aber nicht geeignet, um
eigene Vorstellungen durchzusetzen, es wird bei den Menschen immer wie ein
fremder Einfluss ankommen. Zur Akzeptanz von Homosexualität beispielsweise zwingen
kann man die Bevölkerung jedenfalls nicht. Selbst hierzulande stößt dies ja
schon auf massiven Widerstand, Gegenstand von Außenpolitik kann dies jedoch
niemals sein. Es setzt sich anscheinend
gerade bei den Grünen eine Überzeugung durch, die Außenpolitik nicht
geostrategisch, sondern von vornherein auf die Verbreitung dessen, was man
unter Menschen-und Bürgerrechten versteht, hin, auszurichten (so etwa Rebecca
Harms auf dem Bundesparteitag: https://www.youtube.com/watch?v=3DQ9Iu8SutY);
also eigentlich eine ideologische statt eine pragmatische Außenpolitik. Auch
beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs begründeten manche Sozialdemokraten ihre
Zustimmung zum Krieg mit dem Kampf gegen den russischen Despotismus. Nur wird
auf solche Weise eher den Menschen geschadet, die es angeblich zu befreien
gilt. Es gilt also, die echte weltbürgerliche Emanzipation lässt sich nicht auf
solche zwielichtige Weise, mit Verletzung von Souveränität und Manipulation
durchsetzen. Solches bedeutet am Ende doch nur Verbrämung von Machtpolitik.
Da die USA als Weltmacht des Westens eigentlich an Ansehen deutlich
verloren hat seit Snowdens Enthüllungen und
den Protesten gegen TTIP, jedenfalls innerhalb des linken und sonstigen
herrschaftskritischen Spektrums, wo auch Grüne sich beteiligen, ist es
merkwürdig, warum ein großer Teil eben dieses linksliberalen Spektrums geradezu
vorbehaltlos die westliche Position gegenüber Russland unterstützt. Jetzt regen
Grüne sich darüber auf, dass Rebecca Harms die Einreise in Russland verweigert
wurde, obwohl auch die USA in letzter Zeit den Kritikern des NSA und des TTIP
schon die Einreise verweigert hatten: http://blog.campact.de/2014/04/wer-hat-angst-vor-campact/
Die einseitige Parteinahme für den „Westen“ macht das Engagement gegen
TTIP und NSA unglaubwürdig. Solche Empörungen gegen den westlichen großen
Bruder müssen wirkungslos bleiben, wenn keine ernsten naheliegenden Konsequenzen
folgen wie die Forderung nach dem Austritt aus der NATO – nicht um sich in
Russland einen anderen großen Bruder zu suchen, was in der Tat die Konsequenz
bei Leuten wie Jürgen Elsässer, also Leuten, die sich wirklich aus einer
rechtskonservativen Sicht vom Westen abwenden wollen, sein mag, sondern um
weitgehende Neutralität zu praktizieren.
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