Dienstag, 7. Februar 2012

Zur Debatte um Erika Steinbach - Waren die Nazis links?

Erika Steinbach (MdB der CDU) provozierte kürzlich die Öffentlichkeit mit der Äußerung, die NSDAP wäre eigentlich eine linke Partei gewesen.

Ich meine, eigentlich waren die Begriffe „links“ und „rechts“ vor dem Aufkommen der faschistischen Bewegungen ziemlich klar und eindeutig: links stand für fortschrittlich, freigeistig, egalitär(sozial), dagegen stand rechts für konservativ/reaktionär, autoritär und elitär. Mit der modernen Massendemokratie tauchte nun das Phänomen auf, dass eine Bewegung mit eigentlich klar rechten Zielen sich in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht teilweise linker Programmpunkte und vor allem linker Rhetorik bedienen musste, um die Volksmassen zu erreichen. Das ist aber meiner Meinung nach schon alles, was den Faschismus und Nationalsozialismus links erscheinen lässt. Ebenso sind die Begriffe natürlich auch unklar geworden durch die Entwicklung von Bewegungen mit linken Zielen zu einer autoritären und elitären Praxis. Also wären nach dem ursprünglichen Verständnis im Endeffekt beide "totalitären" Systeme rechts.

Hinzu kommt, dass vielen Menschen, unabhängig vom eigenen Standort, kaum klar ist, dass das Rechte und das Linke eben nicht nur hinsichtlich der sozialen Frage zu unterscheiden ist, sondern dass es auch um den Kampf zwischen kritischem progressivem Denken und individueller Emanzipation einerseits und einem Beharren auf Tradition und autoritären Strukturen andererseits geht. So scheinen viele – ablehnend wie zustimmend – zu meinen, das linke Prinzip bestehe in einem Gemeinschaftskult, der auch mit radikalem Antiindividualismus und Antiintellektualismus einhergehen kann, was dann auch Begeisterung für gewisse exotische Kulturen einschließen soll, wie man an den Islamdebatten sehen kann. Solche Umstände der Begriffsverwirrung erleichtern es konservativen Propagandisten, die Nazis in ideologische Nähe zu „den Linken“ zu rücken. Denn ansonsten haben natürlich besonders konservative, also objektiv relativ weit rechts stehende Kreise immer ein Interesse daran, ihre relative ideologische Nähe zu extrem rechten Ideologien zu verschleiern. 1979 versuchten auch schon Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber herauszustellen, dass die Nationalsozialisten vorrangig Sozialisten gewesen seien, um damit im Wahlkampf gegen die SPD aufzutrumpfen. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-39867302.html
Dazu ist allerdings auch zu sagen, dass der Begriff Sozialismus in der Weimarer Zeit eine breitere Verwendung und andere Assoziationen fand als heute, nämlich unabhängig vom politischen und weltanschaulichen Standort, wie er sich im Links-Rechts-Schema bestimmen ließe; so z.B. bei Oswald Spengler als preußischer Sozialismus, der die völlige Unterordnung des Individuums unter das Ganze des Volkes und des Staates beinhaltet und im Grunde den faschistoiden Gedanken der Volksgemeinschaft vorwegnimmt.

Darüber hinaus gibt es im rechtskonservativen Bereich die Tendenz, jegliche fortschrittlichen emanzipatorischen Bestrebungen als im Kern totalitär aufzufassen und somit den Totalitarismus in jeder Form auf das linke Prinzip zurückzuführen. Am konsequentesten wurde diese Überlegung wohl von Erik von Kuehnelt-Leddihn propagiert, der dies dann auch ausdrücklich auf die Demokratie als solche bezog. In abgeschwächter scheinbar pro-demokratischer Form schlägt sich diese Denkfigur dann in Publikationen wie „Politically Incorrect“, „Achse des Guten“, „eigentümlich frei“, „Junge Freiheit“ etc. nieder, wenn die modernen Fortschrittsgedanken und Emanzipationsbestrebungen - Internationalismus, Umweltbewegung, Frauenbewegung, usw. – als totalitär und freiheits- und demokratiefeindlich diffamiert werden.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Die Inquisition der Gegenwart und ihre Doppelmoral

1978 verbrannten sich in Berlin zwei Anhänger der indischen Gurubewegung Ananda Marga, um gegen die Inhaftierung ihres Guru in Indien zu protestieren Dies wurde für die Evangelische Kirche in West-Berlin Anlass eine Arbeitsstelle einzurichten, die sich mit „Jugendreligionen“ befasst.
http://www.freitag.de/community/blogs/christianberlin/30-jahre-sektenjagd-in-absurdistan-thomas-gandow-
Dass es diese Aktion der Selbstverbrennung war, die für gewisse Kirchenvertreter Anlass bot, gezielte Propaganda gegen die neu entstandene Konkurrenz auf dem Weltanschauungsmarkt zu betreiben, ist deshalb so auffällig, weil es zeitnah gerade Fälle von evangelischen Pfarrern gab, die diese besonders schockierende Form der Selbsttötung als Mittel des Protestes gebrauchten: