Donnerstag, 11. Dezember 2014

Zum Umgang mit Russland: Für Interessenausgleich statt verbrämter Weltinnenpolitik


Nachdem Politiker und Journalisten mit wenigen Ausnahmen den Konflikt um die Ukraine angeheizt und eine Dämonisierung Putins betrieben haben, gibt es jetzt einen Aufruf zur Mäßigung von vielenüberwiegend ehemaligen Politikern.
Unter den sachlichen Stimmen der „Putinversteher“ (als wenn verstehen zu wollen gleichbedeutend sei mit gutheißen  und propagieren) ist der frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin in diesem Beitrag im Stern  wie auch der Schriftsteller Wolfgang Bittner in diesem Telepolis-Interview hervorzuheben. 
Frappierend ist, wie bestimmte Politiker der Grünen darauf reagieren wie hier Katrin Göring-Eckardt.  Verwiesen sei auf das Agieren und Reagieren auf Einwände aus dem eigenen Lager und der Linken von Marieluise Beck, Rebecca Harms und besonders dieser gruselige Redebeitrag eines Johannes Steen auf dem jüngsten Parteitag, der viel Beifall fand:  http://friedensblick.de/14208/gruener-johannes-steen-verurteilt-nicht-rechtsextremen-polizeichef-kiew/

Zunächst so viel: Es ist bedenklich, dass so geredet wird, da das Völkerrecht nach dem Ende des Kalten Krieges zuerst von der NATO-Seite gebrochen wurde beim Kosovo- Krieg und der Abspaltung des Kosovo. Zu bedenken sind auch die Äußerungen Gorbatschows beim 25jährigen Gedenken des Mauerfalls, der sich auch enttäuscht zeigt von der Ausdehnung der NATO entgegen der damaligen Versprechungen.

Zu dem, was bei Katrin Göring-Eckardt durchscheint, die Verständigung mit Russland von der Ausbreitung des eigenen Verständnisses von Demokratie und Fortschritt zu machen:   
     Außenpolitik kann keine Weltinnenpolitik sein, solange es keine Einigung der Menschheit von unten statt durch die Dominanz einer Weltmacht gibt.
     Das Gleichgewicht des Schreckens wie im Kalten Krieg, heute besser das Nebeneinander-Existieren mehrerer Machtblöcke verhindert die totale Machtausübung einer globalen herrschenden Klasse.
     Nur so ist es überhaupt möglich, dass ein Edward Snowden Aufnahme in Russland finden konnte. In den Staaten der NATO war dies eben nicht möglich. Wenn also die ganze Welt verwestlicht werden sollte, was offenbar die neue Utopie führender Grüner ist, was aber konkret die Anbindung an die USA heißt, dann wäre es auch kaum noch möglich, die Machtanmaßungen eines Machtsystems anzuprangern. Den Forstschritt zu mehr Freiheit und Demokratie kann es in der Welt, in der wir heute leben, also nur durch die Konkurrenz mehrerer Machtblöcke geben und nicht indem man versucht den Einfluss des eigenen westlichen Lagers, weil man es als einzige Form von Demokratie ansieht, auf die ganze Welt auszudehnen anstatt die oberste Priorität darauf zu legen, die Missstände im eigenen Lager anzugehen. Außerdem muss immer bedacht werden, dass die Macht Putins bei allen Missständen demokratisch legitimiert ist, ebenso wie die politischen Konstellationen im Westen. Die Rede davon in Russland und der Ukraine Demokratie verbreiten zu wollen, ebenso wie die Diffamierung der „Putinversteher“ als Demokratiefeinde ist also illegitim.
    Siehe z.B. hier: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24220
Das, was der Oligarch Chodorkowski hier vorhat, durch eine Revolution an die Macht zu kommen, um dann als Übergangspräsident Strukturen für eine „echte“ Demokratie zu schaffen, mag wohl aus der einseitig prowestlichen Sicht eine Befreiung für die Russen sein, jedoch wird man hinnehmen müssen, dass die Mehrheit der Russen ihre bisherigen Wahlen als frei ansieht und die Installation von Strukturen im Sinne des westlichen Modells als falsche Demokratie, zumal es dann ja unter ausländischem Einfluss zustande gekommen sein würde.
     Es gibt anscheinend insbesondere bei den Grünen eine Tendenz zu meinen es sei eine bürgerrechtliche emanzipatorische Politik, in anderen Ländern Regimewechsel herbeizuführen, um das „westliche“ Modell von Demokratie und Zivilgesellschaft zu verbreiten und sich dabei die Ideologie der Neocons in den USA zu eigen zu machen und mit extremen ukrainischen Nationalisten zu kooperieren, gleichzeitig aber den Gegnern dieser Politik vorzuwerfen, sie würden sich mit Rechtspopulisten und Antisemiten gemein machen.  Die Außenpolitik ist aber nicht geeignet, um eigene Vorstellungen durchzusetzen, es wird bei den Menschen immer wie ein fremder Einfluss ankommen. Zur Akzeptanz von Homosexualität beispielsweise zwingen kann man die Bevölkerung jedenfalls nicht. Selbst hierzulande stößt dies ja schon auf massiven Widerstand, Gegenstand von Außenpolitik kann dies jedoch niemals sein.  Es setzt sich anscheinend gerade bei den Grünen eine Überzeugung durch, die Außenpolitik nicht geostrategisch, sondern von vornherein auf die Verbreitung dessen, was man unter Menschen-und Bürgerrechten versteht, hin, auszurichten (so etwa Rebecca Harms auf dem Bundesparteitag: https://www.youtube.com/watch?v=3DQ9Iu8SutY); also eigentlich eine ideologische statt eine pragmatische Außenpolitik. Auch beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs begründeten manche Sozialdemokraten ihre Zustimmung zum Krieg mit dem Kampf gegen den russischen Despotismus. Nur wird auf solche Weise eher den Menschen geschadet, die es angeblich zu befreien gilt. Es gilt also, die echte weltbürgerliche Emanzipation lässt sich nicht auf solche zwielichtige Weise, mit Verletzung von Souveränität und Manipulation durchsetzen. Solches bedeutet am Ende doch nur Verbrämung von Machtpolitik.
     Da die USA als Weltmacht des Westens eigentlich an Ansehen deutlich verloren hat seit Snowdens Enthüllungen und  den Protesten gegen TTIP, jedenfalls innerhalb des linken und sonstigen herrschaftskritischen Spektrums, wo auch Grüne sich beteiligen, ist es merkwürdig, warum ein großer Teil eben dieses linksliberalen Spektrums geradezu vorbehaltlos die westliche Position gegenüber Russland unterstützt. Jetzt regen Grüne sich darüber auf, dass Rebecca Harms die Einreise in Russland verweigert wurde, obwohl auch die USA in letzter Zeit den Kritikern des NSA und des TTIP schon die Einreise verweigert hatten: http://blog.campact.de/2014/04/wer-hat-angst-vor-campact/
    Die einseitige Parteinahme für den „Westen“ macht das Engagement gegen TTIP und NSA unglaubwürdig. Solche Empörungen gegen den westlichen großen Bruder müssen wirkungslos bleiben, wenn keine ernsten naheliegenden Konsequenzen folgen wie die Forderung nach dem Austritt aus der NATO – nicht um sich in Russland einen anderen großen Bruder zu suchen, was in der Tat die Konsequenz bei Leuten wie Jürgen Elsässer, also Leuten, die sich wirklich aus einer rechtskonservativen Sicht vom Westen abwenden wollen, sein mag, sondern um weitgehende Neutralität zu praktizieren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen