Montag, 4. März 2013

Brumlik gegen Bruno - Die Inquisition der subtilen Antimoderne


Micha Brumlik hat vor einigen Monaten in der taz versucht, die Giordano-Bruno-Stiftung wegen ihrer Position zur Beschneidung in eine antisemitische Tradition einzuordnen, indem er den Namensgeber Giordano Bruno durch antisemitische Stellen in dessen Werk zu kompromittieren versucht.  http://www.taz.de/!102730/
Daraufhin antwortete MichaelSchmidt-Salomon mit einer Richtigstellung, was Brumlik mit einem weiteren unsachlichen Pamphlet  konterte, was Schmidt-Salomon wiederum so erwiderte: http://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/ton-wird-rauer

Erfreulich ist, dass es bei den Lesern der taz genügend Kommentatoren gibt, die sich solche Einschüchterungspropaganda nicht gefallen lassen, die sofort merken, dass es sich bei dem Antisemitismusvorwurf im Zusammenhang mit der Beschneidungsfrage um ein Totschlagargument handelt und dass das Herausgreifen Giordano Brunos mit dem Ziel  die nach ihm benannte Stiftung zu diffamieren, höchst selektiv ist, da sich sofort der Vergleich mit Luther aufdrängt, der tatsächlich zur Vertreibung und Ermordung von Juden aufgerufen hat, was eine große Glaubensgemeinschaft  nicht davon abhält sich weiterhin nach ihm zu benennen.
Brumliks Behauptung, Bruno sei auch ein Feind des Protestantismus gewesen und dies sei auch für den späteren Antisemitismus typisch, ist völlig willkürlich und absurd und zeigt, dass Brumliks Diffamierungen nur von  lobbyistischen Interessen geleitet sind, aber keine Aufklärung über echte Zusammenhänge darstellen. Giordano Bruno äußerte sich wohl ablehnend über die seinerzeit aufkommenden protestantischen Lehren, aber nur weil er in ihnen keine bessere Alternative zur von ihm primär bekämpften katholischen Kirche sah. Von daher ist diese Verknüpfung schon sehr an den Haaren herbeigezogen. Für den späteren Antisemitismus entbehrt dies jeglichen Sinns, weil es voraussetzen würde, dass es keinen Antisemitismus im protestantischen Zusammenhang gegeben hätte. Natürlich lassen sich bei katholischen Antisemiten auch üble Feindseligkeiten gegen Protestanten finden. Ebenso könnte man bei protestantischen Antisemiten aber auch Katholikenfeindlichkeit ausmachen und diese in einen Zusammenhang zu deren Antisemitismus stellen.

Denn bei all dem geht es eigentlich um die Frage der Beschneidung. Diejenigen, die sie befürworten, wollen auf diese Weise davon ablenken, dass sie keine sachlichen Argumente haben.
Alles in allem geht es bei Brumlik also genau wie bei Broder darum, die Verwendung des Begriffs Antisemitismus weg von der eigentlichen Bedeutung, nämlich Feindschaft gegenüber Juden, weil sie Teil des jüdischen Kollektivs sind oder als solche gesehen werden, hin zu einer Definition, unter die jede inhaltliche Kritik an der jüdischen Religion oder der Politik des jüdischen Staates fällt, zu verschieben. Deswegen geht dann auch einer der wenigen Kommentarschreiber, die Brumlik unterstützen, so weit zu sagen, die Giordano-Bruno-Stiftung sei schon deshalb antisemitisch, weil sie sich gegen jede Religion, also auch gegen das Judentum richtet. Micha Brumlik leistet mit dem Antisemitismusvorwurf eigentlich das, was Henryk Broder eher auf politischem Gebiet leistet, auf religiösem Gebiet: nämlich als moderner Inquisitor durch geschickte Suggestionen mit Halbwahrheiten und konstruierten Zusammenhängen jedes unvoreingenommene kritische Hinterfragen von Traditionen und Praktiken im jüdischen Zusammenhang in den Ruf eines Gedankenverbrechens (im Sinne von „1984“) zu bringen. Aus bekannten Gründen ist der Antisemitismusvorwurf dafür besonders effektiv. Andere Religionen verfügen in der modernen Welt nicht mehr oder noch nicht wieder über ein entsprechendes Instrumentarium zur Einschüchterung ihrer Gegner oder überhaupt Andersdenkender, aber es ist unverkennbar, dass Apologeten des Islam und christlicher Kirchen daran arbeiten. Ebenso ist es unverkennbar, wie unbedarftere Zeitgenossen gedankenlos ein Schlagwort wie Islamophobie gebrauchen und damit unter dem Vorwand, sich gegen die Diskriminierung türkisch- oder arabischstämmiger Menschen einzusetzen, jegliche Kritik an islamischen Glaubensinhalten und Traditionen kriminalisieren. Auch kommt es vor, dass Christen sich des Antisemitismusvorwurfs bedienen, soweit es darum geht, Kritik an den Elementen christlicher Tradition abzuwehren, die auf das Judentum, auf das Alte Testament, zurückgehen. Die Tabuisierung von Religionskritik, die zur Zeit bezogen auf Judentum und Islam versucht wird, wie es in der Beschneidungsdebatte besonders scharf zum Ausdruck kam, ist gewissen Kirchenchristen nur willkommen, da so der Weg bereitet werden könnte, auch Kritik an kirchlichen Traditionen zu kriminalisieren.  Es kann nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht werden, was für ein schäbiger manipulativer Trick es ist, die Unterdrückung von Menschen aufgrund ihrer Abstammung mit der sachlichen Kritik an Ideologien und Religionen gleichzusetzen. Dass ahnungslose und/oder ängstliche Zeitgenossen dem auf dem Leim gehen, liegt, daran, dass der Antisemitismusvorwurf so ungeheuerlich wirkt, dass alleine die Erhebung des Verdachts schon einschüchternd wirkt, dies umso mehr, weil diejenigen, die ihn erheben, mit so vagen Definitionen operieren, dass der Beschuldigte kaum eine Möglichkeit zur Widerlegung bekommt, indem sie jeden Versuch der Entkräftung zur Ausrede erklären können. Man hört dann, dass ein Verbot der Säuglingsbeschneidung auf das Gleiche hinausliefe wie der Holocaust, weil es in beiden Fällen am Ende keine Juden mehr gebe. So wird Massenmord an echten individuellen Menschen mal eben gleichgesetzt mit der Abschaffung einer Tradition oder der Auflösung eines Volkszusammenhanges. So zeigt sich, dass Leute die so denken, desselben Geistes Kind sind, wie alle wirren ethnozentrischen Verschwörungstheoretiker, die in der „Überfremdung“ und Rassenmischung den Beginn eines Genozids an den Deutschen oder überhaupt der weißen Rasse sehen. Der Trick dabei ist, dass kein Unterschied zwischen den Menschen als Individuen und dem Kollektiv, das sich über religiöse und nationale Traditionen definiert, gemacht und das Individuum ganz als Teil dieses Kollektivs gedacht wird. So kann jede ablehnende Haltung gegenüber jüdischen Traditionen als Wunsch nach Vernichtung aller jüdischen Menschen diffamiert werden. - So liegt eine gewisse Pointe nun auch gerade darin, dass es ja genau darum eigentlich in der umstrittenen Stelle in Brunos allegorischem Dialog geht: Eine fiktive Person nimmt die Juden in Sippenhaft dafür, dass sie die Sippenhaft erfunden haben. Anstatt diesen paradoxen Gedanken dem Autor zuzuschreiben, sollte man gerade hier anknüpfen, um die Unterscheidung zwischen der Kritik an einer Ideologie und dem Hass auf ein Volk herauszuarbeiten. - Wenn hier die Unterscheidungsfähigkeit einmal abhandengekommen ist, dann ist Meinungsfreiheit nur noch nicht mehr als eine Worthülse und  es nur noch eine Frage der Zeit bis wieder offiziell Inquisitionstribunale richten. Mit der Verhöhnung der einstigen Opfer der Inquisition, die unter Einsatz ihres Lebens die totale Herrschaft des Klerus  herausforderten, wird durch Micha Brumlik versucht eine solche Entwicklung mit in Gang zu setzen. Denn wenn ausgerechnet ein Opfer religiös fanatisierter Herrschaft zum Täter, zum Protagonisten eines solchen Fanatismus erklärt werden soll, dann kann das wie eine implizite Rechtfertigung der Inquisition wirken. Dass er mit dem Wunsch anderer Vertreter von etablierten Religionen nach der Kriminalisierung von Religionskritik konform geht, ist einfach naheliegend, wenn er sich für seine Antisemitismusvorwürfe gerade einen verurteilten Ketzer und eine Bewegung in der Gegenwart, die sich für Religionskritik und gegen Religionsprivilegien einsetzt, aussucht und nicht Personen wie Mohammed und Luther, die für wirklichen Judenhass - und eben nicht nur Kritik an jüdischen Traditionen - bekannt sind.  Eigentlich ist es das gleiche Schema, das einst der katholisch reaktionäre Politiologe Eric Voegelin aufgebracht hat, der die gnostischen Ketzerbewegungen der Spätantike und des Mittelalters für den Zerfall der traditionellen Ordnungsstrukturen und damit zusammenhängend für den Totalitarismus verantwortlich machte, so als wenn jene Ketzerbewegungen nicht selbst Opfer einer totalitär anmaßenden Herrschaftskultur waren, der Totalitarismus nicht vielmehr sein Vorbild in der kirchlichen Inquisitionsherrschaft hatte. Aus dem gleichen Grund wehrte die katholische Inquisition einst das kopernikanische Weltbild und Giordano Brunos Schlussfolgerungen daraus ab, weil dadurch die Ordnung einzustürzen drohte, als deren Wächter die Kirche sich sah, weil durch das geweitete Verständnis des Weltalls die enggefassten dogmatischen Lehren und Traditionen ihre Ausstrahlung verlieren. Ähnlich machen sich heute die jüdischen Polemiker wie Broder und Brumlik strukturgleich mit ihren Äquivalenten aus anderen ethnischen und religiösen Gruppen Sorgen um ihre kulturelle Identität, die durch irrationale absurde Traditionen wie die Beschneidung zusammengehalten wird und wehren daher die Tendenz zur Auflösung kultureller Identitäten in der säkularen und individualistischen Welt der Moderne ab.

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