Montag, 15. April 2013

Neuer menschenverachtender Irrsinn


Gerade hat der deutschtürkische Autor Akif Pirincci auf Broders Hetzplattform Achse des Guten mit einem besonders irren Beitrag eine Debatte ausgelöst und danach seine Kritiker mit wüsten Beschimpfungen bedacht. Die Kritik an ihm benennt aber kaum den Gedanken, der den Text eigentlich menschenverachtend macht, so dass er und seine Gesinnungsgenossen sich wieder als Opfer linker Meinungsdiktatur o.ä. aufspielen.
Pirincci reduziert Menschen auf biologische Funktionen und zu Teilen von Kollektiven. Man sollte nicht denken, dass Kritik am Islam und an Muslimen schon dadurch legitim sei, dass sie von ehemaligen Muslimen geäußert wird. Seriöse Kritik am Islam kann es nur aus einer humanistischen und aufklärerischen Haltung geben. Bei Pirnincci ist das Gegenteil der Fall. Er verkündet ein sozialdarwinistisches Menschenbild, das den Menschen auf vorbewusste Instinkte zur Bildung von Gruppen und deren Kampf gegeneinander reduziert und die Idee der Einigung der Menschheit diffamiert.
Hier geht es auf keinen Fall darum, die Rolle des Islam für Kriminalität und Terrorismus zu relativieren. Im Gegenteil:
Es fällt Pseudo-Islamkritikern offenbar gar nicht auf, dass die Rolle der Religion durch solche pseudo-biologische Erklärung relativiert wird. Denn Religion und Kultur werden nicht genetisch und durch unbewusste Instinkte vermittelt. Wenn aus unbewussten kulturellen Prägungen ein unbewusstes aber zielgerichtetes Handeln eines Kollektivs abgeleitet wird, dann ist dies die Absage an das freie Individuum und die individuelle Schuldfähigkeit.
Es ist zwar richtig, dass die Meinungsfreiheit solche Ausfälle zulassen muss. Jedoch muss nicht der Inhaber eines Mediums jede Meinungsäußerung in seinem Haus zulassen. Siehe hier. Bei Broder fällt dies insbesondere auf, weil er gegen den Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz einen Privatkrieg führt, weil dieser auf seiner Facebook-Pinnwand auch fragwürdige Kommentare zulässt. Hier geht es demgegenüber gar nicht um Leserkommentare, die es bei der Achse ohnehin nicht gibt, sondern um einen Artikel eines der Stammautoren.
Die „Achse des Guten“ ist dem Geist der Aufklärung diametral entgegengesetzt. Die Aufklärung zielte auf die moralische Vervollkommnung und die Verbrüderung des Menschengeschlechts, also das, was dort als Gutmenschentum, von Pirincci auch noch als linksgrün und als Hippie-Ideologie bezeichnet wird, ab und nicht auf die zynische Ergebung in die angebliche Naturnotwendigkeit, nach der alles Leben Kampf und der Mensch unausweichlich von tierischen Instinkten statt von der Vernunft bestimmt ist. Das betont anti-linke Vokabular sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es keineswegs nur um linksstehende Kräfte geht, denn auch der Bundepräsident wird dafür attackiert, dass er den Rassismus von Autochthonen gegen Zuwanderer überhaupt benennt, jedenfalls ohne gleichzeitig den angeblich gleich oder gar mehr gefährlichen der umgekehrten Art zu benennen.
Zu bedenken ist: Wenn es stimmen würde, dass eine Gruppierung die physische Vernichtung eines Volkes plant und dabei ist diese durchzuführen, dann müsste man sich lediglich über die Erklärungsmodelle und die Strategien dagegen unterhalten – und auch dann läge das Problem in der politisch geförderten ethnoreligiösen Segregation, die gerade auch von Pirnincci mit seinen biologistischen und pseudowissenschaftlichen Thesen zur Gruppenbildung nicht in Frage gestellt wird, aber es handelt sich um eine unbelegte Verschwörungstheorie vom gleichen Wert wie die Protokolle der Weisen von Zion. Dadurch, dass er den systematischen Völkermord an den Deutschen nicht als bewusste Handlung, sondern als eine unbewusste Instinkthandlung behauptet, kann er immer darauf verweisen, er hätte niemanden für den angeblichen Genozid verantwortlich gemacht. Denn eigentlich hat er nichts  Handfestes behauptet, sondern nur eine unbelegbare Theorie aufgestellt. So versucht er sich tatsächlich gegen Kritik zu immunisieren und es fällt auch den Kritikern kaum auf, dass gerade in dieser Theorie die Menschenverachtung des Textes liegt.
Wer aber der Einzelperson ihre individuelle Motivation und Verantwortlichkeit abspricht und alles Handeln auf Gruppenidentität zurückführt, der hat die Grundlage der Aufklärung und der modernen Gesellschaft verlassen. Deswegen hat es auch einen guten Grund, weshalb die Zughörigkeit zu bestimmten Gruppen bei der Strafverfolgung und der Berichterstattung eine untergeordnete Rolle spielt, es sei denn es handelt sich um bewusst organisierte Gruppen, die mit ihren kriminellen Handlungen ein bewusstes Ziel verfolgen. Meinetwegen ist das „linksgrünes Gutmenschentum“, aber alles andere wäre eine Bankrotterklärung des modernen Rechtsstaates, der alle Menschen gleich als unabhängige Personen betrachtet und ein Rückfall in archaisches Stammesdenken.
 Dass im Umfeld der Achse des Guten die Aufklärung nur selektiv als Steinbruch zur Legitimation spezifischer Interessen dient, sieht man daran dass sie auf einmal etwas ganz Böses sein soll, wenn sie sich auch kritisch gegen die jüdische Religion richtet. Dann verbrüdert die Gutachsenbrut sich für kurze Zeit mit ihren ansonsten ärgsten Feinden, den gläubigen Muslimen. Siehe Beschneidungsdebatte. Ansonsten bedienen sie sich fast wörtlich der gleichen Sprache und der gleichen Theoreme wie die Nazis: Während die Nazis im universalen Humanismus eine Erfindung bzw. Verbündeten des Judentums zur Unterwerfung der anderen Völker sahen, so wird von gewissen Autoren der Achse der Humanismus als illusionäres Gutmenschentum, das nur den Feinden des eigenen Kollektivs in die Hände spielt und als tendenziell antisemitisch, weil die Absonderung des Judentums in Frage stellend, diffamiert.  Es steht jedem frei, den Menschen für von Natur aus schlecht zu halten und das Leben als Kampf ums Dasein zu betrachten. Die Konsequenz wäre allerdings, auch die freiheitliche Demokratie, die universalen Menschenrechte und die ganze Tradition von Humanismus und Aufklärung als Gutmenschengetue und totalitären Ansatz zur Schaffung eines neuen Menschen auf den Müll zu werfen. Broder und Pirincci sind sich dessen mit Sicherheit bewusst, wissen aber auch, dass sie diese Konsequenz nicht äußern können, da sie sich ganz durch ihr Image als superliberale Demokraten legitimieren.
Pirincci meint, er brauche keine Belege, weil der von ihm behauptete  Völkermord offensichtlich sei und das Fehlen von Beweisen zeige schon, dass sie durch offizielle Propaganda verschwiegen würden. Nun, die gleiche Gewissheit haben die Verschwörungstheoretiker, die für das Aussterben der Deutschen oder der „weißen Rasse“ eine globale Macht wie die Juden, die Rothschilds oder die Illuminaten verantwortlich machen, auch. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen letzteren und Personen wie Pirincci und Broder ist der, dass die einen Antisemiten und die anderen Israelfreunde sind. Einfältige Menschen glauben tatsächlich, es sei für den Faschismus entscheidend, gegen welche Menschengruppen er sich im Einzelnen richtet und dass demzufolge ein Mensch jüdischer oder türkischer Herkunft kein Faschist sein könne. Dabei ist das Entscheidende ja wohl eher die Menschenverachtung und der Gewaltfetischismus, nicht zuletzt auch in der Sprache, die prinzipielle Gegnerschaft zur Einigung des Menschengeschlechts, zum Kosmopolitentum, worum es den historischen Nazis und Faschisten ging, also die Gegnerschaft zu dem, was heute wahlweise Gutmenschentum oder One-World-Ideologie genannt wird. So habe ich jedenfalls keine Hemmung, Pirincci und Broder und ihre Geistesverwandten als Faschisten zu bezeichnen.

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