Dienstag, 16. Juni 2020

J. K. Rowling und die Irrwege der postmodernen Genderdiskurse

J. K. Rowling wird jetzt - wie schon vor einem halben Jahr - angefeindet, weil sie sich „transphobisch“ geäußert haben soll. Sie hat sich über die Formulierung „Menschen, die menstruieren“, mit der biologische Frauen, die sich nicht als Frauen identifizieren, eingeschlossen werden sollen, lustig gemacht. https://www.welt.de/vermischtes/article209144569/Vorwuerfe-der-Transfeindlichkeit-J-K-Rowling-steht-auf-Twitter-in-der-Kritik.html Am Ende des letzten Jahres wurde sie angegriffen, weil sie sich mit Maya Forstater solidarisiert hat, die ihren Job beim Center for Global Development in London nicht verlängert bekam, weil sie getwittert hatte, es sei unmöglich, das Geschlecht zu verändern. https://www.theguardian.com/society/2019/dec/18/judge-rules-against-charity-worker-who-lost-job-over-transgender-tweets?fbclid=IwAR2VJBjOQvQHCAcDfOqH37ATaTvsQFQwKGxbDTZxXBAmN0FWocgrABpIcbE

Ursprünglich bedeutete Gleichberechtigung nichts weiter als dass Geschlechtszugehörigkeit und sexuelle Orientierung im öffentlichen Alltagsleben keine Rolle spielen sollten. Nun werden jedoch diese Unterschiede durch die LGBTI- Identitätspolitik erst in den Fokus gerückt. – Auch der nicht postmodernisierte Teil der Feministinnen weist darauf hin, dass es gewissen Transakivisten darum geht, dass Männer sich geschützte Frauenräume erobern können (so wie Rowling ja auch erklärt hat, dass es ihr darum vor allem auch geht https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/joanne-k-rowling--li.87024?fbclid=IwAR1a2U149h2Fa41zxDaOkOEbWVF7ua7KGMhbSva6oU-z9XsXj4MUgj_vwuc )Diese Feministinnen der älteren Generation werden von den Transaktivisten und der neuen Generation der durch die Gendertheorien geprägten Feministen dann in abwertender Absicht mit dem Akronym TERFs benannt (transgender excluding radical feminists) – Mit diesem neuen durch die Gender-Theorie nach Judith Butler geprägten Feminismus und den damit begründeten Maßnahmen, die zu solchen Sprachregelungen führen, wird nun gerade nicht das erreicht, was damit zumindest dem Anschein nach erreicht werden sollte, nämlich die Auflösung der sozialen Geschlechterrollen (gender) und ihre Entkopplung vom biologischen Geschlecht (sex). Abschaffung von Diskriminierung und Ausgrenzung kann dann nur heißen, dass Geschlechterrollen und biologisches Geschlecht für die Verhältnisse des Einzelnen in der Gesellschaft in Beruf und Alltag keine Rolle spielen sollten, da wo sie von der Sache her bedeutungslos sind. Jenen Lobbygruppen geht es aber darum, dass zwar das biologische Geschlecht unbedeutend werden soll, das soziale (gender) dafür aber immer bedeutender, deswegen werden die Bestrebungen ja auch unter dem Label „gender“ zusammengefasst, obwohl man eigentlich denken könnte, es gehe darum die sozialen Geschlechterrollen als bloße soziale Konstruktionen zu dekonstruieren. Bei der Bewegung insbesondere der Transgender-Aktivisten geht es dagegen viel mehr darum, das biologische Geschlecht zu einer sozialen Konstruktion zu erklären und das soziale zu einem wesentlichen Identitätsmerkmal zu machen, das überall in allen sozialen Zusammenhängen von Belang ist. Durch diese Verwirrung, die dadurch entstanden ist, dass gemäß Judith Butler nicht nur das soziale, sondern auch das biologische Geschlecht konstruiert sein soll, ist das emanzipatorische Ziel von Gleichberechtigung, dass Geschlechtszugehörigkeit und sexuelle Ausrichtung nur für den privaten Bereich, aber nicht für die Stellung in der Gesellschaft wichtig sein sollte, aus dem Blick geraten und ins Gegenteil verkehrt. Das gender, die psychosoziale Geschlechterrolle wird gerade nicht als soziale Konstruktion begriffen, sondern als ein wesentliches Persönlichkeitsmerkmal, das lediglich entweder subjektiv oder doch naturgegeben sei, nur eben vom biologischen Geschlecht abgekoppelt. Emanzipatorisch ist es oder wäre es, davon auszugehen, dass das biologische Geschlecht nicht oder nicht vollständig mit den tradierten Rollen, die gesellschaftlich erwartet werden, übereinstimmen muss und dass Menschen, bei denen das mehr oder weniger zutrifft, keine sozialen Nachteile hinnehmen müssen. Das kann nur geschehen, indem Geschlechterrollen keine Rolle mehr spielen, außer freiwillig im privaten Bereich. Das was hier stattfindet, heißt jedoch, dass das soziale Geschlecht ins Zentrum rückt, wenn ein Mann sagen kann, er fühle sich als Frau und damit auch gesetzlich als Frau gilt. So wird paradoxerweise gerade die Binarität bestätigt. Denn wenn es für einen Menschen, der biologisch männlich geboren wurde, wichtig ist, eine Frau zu sein und dies offiziell anerkannt zu bekommen, dann heißt das ja, dass es in den sozialen Rollen doch zwei Geschlechter gibt. Es scheint, dass es in den Genderdiskursen meist gerade nicht darum geht, Geschlechterrollen aufzulösen, also dafür zu sorgen, dass es für die Rolle eines Individuums in der Gesellschaft keine Rolle spielt, welchem Geschlecht es angehört, sondern nur, dass es sich seine Rolle selbst aussuchen kann, es sonst aber bei den festen stereotypen Geschlechterbildern bleibt, denn genau das wird ja impliziert, wenn ein Mann, der sich „als Frau fühlt“ auch ohne Wenn und Aber nach außen als Frau gelten muss, anstatt dass man sich darauf verständigt, dass manche Menschen nicht den Normen und Vorstellungen entsprechen, die sich in den vormodernen Gesellschaften in Bezug auf die biologischen Geschlechterngebildet haben und dass in einer modernen am individuellen Lebensentwurf orientierten Gesellschaft auch niemand solchen traditionellen Normen entsprechen muss, was ja der einzig wirklich emanzipatorische Sinn von Gleichheit der Geschlechter und Auflösung der Geschlechterrollen ist. In der „Postmoderne“ und der postmodernen Geschlechtertheorie nach Judith Butler geht es aber offensichtlich nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr nur darum, dass jede(r) unabhängig von der Biologie leben kann, wie er will, sondern dass alle objektive Realität in Wahrheit nur subjektiv sei. Es muss eingestanden werden, dass die Natur zweigeschlechtlich ist, die Ausnahmen sind sehr selten und dann meistens wieder auf die Polarität der beiden Geschlechter bezogen, eben „trans“, d.h. ein biologischer Mann fühlt sich als Frau oder eine biologische Frau fühlt sich als Mann, darum ging es ja in den Beispielen, um Menschen, die einfach das jeweils andere als ihr angeborenes Geschlecht sein wollen, um dessen traditionelle soziale Rolle oder übliches Erscheinungsbild zu übernehmen. Nur in noch selteneren Ausnahmen ließe sich von Geschlechtslosigkeit (a-gender) sprechen (wie im Fall von „Professx Lann Hornscheidt), aber nicht von einem dritten Geschlecht, so dass die Zweigeschlechtlichkeit nur bestätigt wird.

Die Theorie, nach der nicht nur das soziale, sondern auch das biologische Geschlecht nur konstruiert sei, schießt über das Ziel hinaus, weil es in der Praxis kaum zur Überwindung von festen Geschlechterrollen und zur neutralen Gleichbehandlung führt, sondern zur Konstruktion immer neuer Identitäten und damit neuer Rollen, die berücksichtigt werden müssen. Statt der „Dekonstruktion“ festgefügter Ordnungen, die man auf den ersten Blick mit den postmodernen Bestrebungen verbindet, steht im Ergebnis die Konstruktion neuer Identitäten. So werden unzählige zusätzliche Geschlechter konstruiert, so dass der eigentliche Sinn, den man der Gleichstellungspolitik zuschreiben würde, gerade verfehlt wird, der heißen würde, die Spaltung und Zuschreibung nach Geschlechterrollen gerade zu überwinden. Anstatt dass nicht mehr auf Geschlecht geachtet wird, wo der Mensch als solcher gesehen werden sollte, geraten so Geschlechterrollen immer mehr in den Blick. – Bei den Geschlechtern und auch den anderen - ethnischen, kulturellen - Identitäten heißt es dann, die bisher benachteiligten Gruppen müssten sichtbar gemacht werden, obwohl echte Emanzipation im zivilen Sinne individueller Freiheit und Anerkennung als Mensch doch gerade die Unsichtbarkeit der Gruppenidentitäten bedeuten müsste außer in den Zusammenhängen, in denen sie eine Rolle spielen.

    Ein weiteres Problem ist nun, dass die Identitätspolitik auch in diesem Fall  den Begriff der Diskriminierung ausdehnt und zweckentfremdet, nämlich von konkreter Benachteiligung hin zu jeglicher Kritik an den jeweiligen Aktivisten und ihren Theorien, wenn also jemand seinen Job verliert, weil er feststellt, dass Männer nicht im eigentlichen Sinne zu Frauen werden können wie in dem Fall um Maya Forstater Ende 2019: https://www.cicero.de/kultur/joanne-k-rowling-transgender-hass/plus  In dem Zusammenhang steht auch der auffällig totalitär inquisitorische Ton, der für das ze.tt, das Jugendmedium der ZEIT schon typisch geworden ist: https://ze.tt/transfeindlichkeit-j-k-rowling-veraergert-mit-einem-tweet-tausende-fans/  Diese Ausdehnung des Diskriminierungsbegriffs ist dann ähnlich wie bei den Muslimen, die es als Diskriminierung ansehen, wenn irgendwo schlecht über ihren Propheten und ihre Religion gesprochen wird, da sie ja immer eine persönliche Betroffenheit dadurch anführen können. Wenn aber bloße Meinungsäußerungen als verletzende und daher verbrecherische Handlungen gesehen werden, dann führt dies in despotische Zustände. Jetzt wird auch in den tonangebenden Medien der Ton schärfer, es zeigt sich, dass die Stigmatisierung von abweichenden Meinungen mit dafür neugeschaffenen Vokabeln wie „TERF“ immer bedrohlichere und totalitärere Züge annimmt. Auch jetzt heißt es in vielen Zeitungen schon unvermittelt, Rowling habe sich in der Vergangenheit schon öfter „transfeindlich“ geäußert, also ohne Anführungszeichen, als Tatsachenbehauptung und nicht als Vorwurf wie im Tagesspiegel: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/transfeindliche-tweets-von-j-k-rowling-bestsellerautorin-zieht-wut-von-queeren-harry-potter-fans-auf-sich/25903810.html und in der FR: https://www.fr.de/ratgeber/medien/harry-potter-autorin-transfeindlich-daniel-radcliffe-tweets-jk-rowling-kritik-rupert-grint-zr-13793014.html . Das heißt, wer die neuen Sprachregelungen nicht mitmacht, ist ein Feind und Ketzer. Am abstrusesten wird es dann je fortschrittlicher ein Medium sich angeblich präsentieren will: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137704.joanne-k-rowling-frauen-die-auf-frauen-treten.html?sstr=rowling

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