Donnerstag, 24. März 2016

Schluss mit dem Tanzverbot an Karfreitag!

                                                                                                                            
Seit einigen Jahren wird darüber diskutiert, ob das Tanzverbot an Karfreitag abgeschafft werden sollte. Das wäre auch sehr vernünftig, da der Feiertag als christlicher Feiertag nur von einem Teil, vermutlich nur einem kleineren Teil der Gesellschaft begangen wird. Diejenigen, die den Karfreitag in diesem Sinne feiern wollen, werden nicht dadurch eingeschränkt, dass andere dies nicht tun und ihn schlicht als arbeitsfreien Tag wie  jeden anderen behandeln. Wohl aber werden die  letzteren in ihrer Freiheit durch das Tanz- oder allgemein Vergnügungsverbot in ihrer Freiheit eingeschränkt.

Eigentlich könnte es so einfach sein, aber dennoch fühlen sich einige Kirchenchristen wieder typischerweise durch das mögliche Wegfallen eines Privilegs in ihrer Religionsfreiheit bedroht. Den Vogel schoss hier ausgerechnet Publik-Forum die „Zeitung kritischer Christen“ ab, mit einem Text, in dem es als Zeichen von Toleranz bezeichnet wurde, ein solches Verbot zu respektieren, demnach also diejenigen, die gegen das Verbot, auch mittels dessen demonstrativer Übertretung, protestiert haben, intolerant seien.

Der Begriff Toleranz bedeutete von seinem Ursprung her jedoch nicht das Erdulden von Verboten der Obrigkeit, sondern den Verzicht der Obrigkeit auf Verbote, die nicht im Interesse der Allgemeinheit sind. Durch eine Aufhebung des Tanzverbots am Karfreitag gäbe es keine Beeinträchtigung der Gläubigen, wohl aber ist das Verbot selbst eine Beeinträchtigung der anderen. Die Frage der Toleranz kann sich also nicht für die abschätzig so genannte Spaßgesellschaft stellen, sondern für die Vertreter der bisherigen Mehrheitsreligion und mehr noch für den Staat, der gerade in Deutschland mit den institutionellen Kirchen verbunden ist. Der Begriff der Toleranz, wie er seit der Aufklärung im öffentlichen Diskurs besteht, meinte ursprünglich eben gerade nicht, dass die Nichtgläubigen und Andersgläubigen die Dominanz der Mehrheitsreligion und deren Möglichkeit zur Durchsetzung von Privilegien zu erdulden haben, sondern im Gegenteil, dass die Vertreter der dominierenden Religion darauf verzichten von ihrer Dominanz in dem Sinne Gebrauch zu machen, dass sie ihre Normen mit Hilfe der staatlichen Obrigkeit durchsetzen. Der Begriff Toleranz wurde immer so verstanden, dass er sich auf die Frage bezieht, ob der Staat die persönliche Weltanschauung des Einzelnen respektiert und nicht darauf, ob der Einzelne die Weisungen der Obrigkeit respektiert. Heute ist das Christentum zwar nicht mehr unbedingt Mehrheitsreligion und ob es die Gesellschaft dominiert ist schon längst fraglich. Dennoch könnte man von Intoleranz ihm gegenüber erst sprechen, wenn die Glaubensausübung von Staats wegen behindert wäre. Das wäre aber mit der Aufhebung des Tanzverbots objektiv keineswegs der Fall. Wer die Aufhebung einer Diskriminierung in die eine Richtung als Diskriminierung in die andere Richtung interpretiert, liegt meiner Meinung nach grundsätzlich falsch, weil eine solche Sicht einen verstellten Blick offenbart. Aus einem solchen leitet sich dann auch die Schlussfolgerung her, dass mit dem Tanzverbot auch der Feiertag selbst fallen würde. Es wäre wohl eher eine Blamage, wenn die Bedeutung eines religiösen Feiertages von der Durchsetzung einer allgemeinen Vorschrift abhinge. Außerdem ist es vielmehr so, dass die gesetzlichen Feiertage vom Staat gewährt werden, der sich dafür lediglich der überlieferten religiösen Feiertage bedient. Dies hat auch Heinrich Schmitz im European in einer Antwort auf einenKommentar zu seinem Artikel verdeutlicht.   Die Authentizität des Feiertages hängt doch in Wahrheit davon ab, wie viele Gläubige ihn tatsächlich seiner Bedeutung entsprechend begehen und nicht davon, was die Nichtgläubigen zur selben Zeit tun … Dazu trägt wohl eher die Theologie bei, wie sie Publik-Forum vertritt. Hier zeigt sich auch, dass diese Richtung ebenso wenig Probleme mit staatlichen Eingriffen in die Religionsfreiheit hat, wenn sie in ihrem Sinne sind; genau entgegengesetzt zu meinem Verständnis des Verhältnisses von Religion und Staat.  Es hat den Anschein, dass für diese Strömung, die sich „kritische Christen“ nennt, die Trennung von Religion und Staat womöglich gar nicht erstrebenswert ist. Sie streben inhaltlich eine andere Art Kirche, scheinbar modernere an, in der das Übernatürliche und das „Christologische“ eliminiert ist, ein Christentum, das sich Judentum und Islam annähert. Dieses soll aber in den traditionellen volkskirchlichen Strukturen bleiben, die sich allerdings immer mehr auflösen. Die Tatsache, dass die traditionellen Kirchen nur noch einzelne Angebote unter vielen im religiösen spirituellen Bereich sind, scheint bei gewissen Kirchenvertretern noch nicht angekommen zu sein, am wenigsten bei denen, die sich selbst für besonders „kritisch“ halten. Vor diesem Hintergrund muss man es dann eigentlich verstehen, wenn aus diesem Spektrum Forderungen nach demokratischen Strukturen und Lockerung gewisser Regeln gestellt werden. Denn objektiv gibt es in einer demokratischen, offenen Gesellschaft keinen Grund, dass eine Religionsgemeinschaft sich in dieser Weise ändern müsste, denn wenn die Gesellschaft eine säkulare ist, dann ist die Zughörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft freiwillig, was bedeutet, dass wenn man mit den Grundsätzen seiner Gemeinschaft nicht mehr übereinstimmt, man sie verlassen und eine neue bilden kann. So stehen die angeblich progressiven Reformforderungen letztlich vor dem Hintergrund einer reaktionären Einstellung, nämlich dass die Kirche mit der Gesellschaft identisch sein muss.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen